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Linearer Hub
Eine im Bassbereich wichtige Eigenschaft eines Lautsprecherchassis !
- Einfach oder doppelt ?
Von Kunden wird mir oft die Frage gestellt, ob die bei einem Lautsprecher
genannten "x mm lin. Hub" denn "peak-zu-peak"-Angaben sind
oder als "+-x mm" gemeint waren ?
Leider ist das bei den meisten Herstellern so, dass dies aus den Angaben
des Herstellers nicht deutlich wird. Über die Hubzahlen habe ich
selbst ausser dieser einen mm-Zahl in der Regel keine weiteren Angaben
vorliegen, so dass ich diese nur so weiterreichen kann.
Sofern es vom Hersteller eindeutig spezifiziert wird, versuche ich es
auch ebenso eindeutig weiterzugeben. Aber selbst hier ist Vorsicht
geboten : Bei einem Hersteller erinnere ich mich, dass die bei
Neuerscheinung angegebenen "+- x mm" im folgenden Katalog beim gleichen
Chassis nur noch als "x mm" spezifiziert waren !
In den von HTH erstellten A&D-Audio-Datenblättern stehe ich vor
dem gleichen Problem der nicht näher spezifizierten Herstellerangabe
(und dies konnte auch nicht im persönlichen Gespräch geklärt
werden. Nachtrag : in neueren Katalogen ist als Grenze -18% bei B*l spezifiziert.) :
Bei einigen Chassis, wo man auf die Schwingspule blicken kann, sieht es
eher nach +- Angabenwert aus, aber das kann ich natürlich nicht
"garantieren" !
Bei einigen defekten Chassis habe ich bereits selbst die Wickeldaten
vermessen und in meinen Datenblättern ergänzt.
Machen Sie sich selbst ein Bild anhand der Differenzen !
- Kreative Messbedingungen der Herstellerangaben
Auch wenn die obige Frage, ob einfach oder doppelt, jeweils eindeutig
beantwortet ist, sind die Hubangaben der verschiedenen Hersteller
noch nicht miteinander vergleichbar. Denn verschiedene Hersteller
ermitteln Ihre Angaben auf verschiedene Weise :
- Ehrliche Angaben aus Schwingspulen-Wickeldaten
Beruht auf der Annahme, dass der Linearbereich der Membranbewegung
nicht verlassen wird, solange sich eine gleichbleibende Wicklungszahl
im Magnetfeld zwischen den Polplatten befindet.
Dann lässt sich der lineare Hub aus mechanischen Daten, nämlich
dem Schwingspulenüberhang, berechnen :
linearer Hub (peak-zu-peak) = Wickelhöhe - Polplattenhöhe
bzw. linearer Hub (+-) = (Wickelhöhe - Polplattenhöhe) / 2
Nach dieser Methode geben die Hersteller "BMS" und "Celestion" Hub an.
Dabei wird stillschweigend vorausgesetzt, dass die Schwingspule
symmetrisch zur oberen Polplatte zentriert ist, was sicher nicht immer
optimiert ist. Andernfalls gibt es in die eine Richtung sogar mehr,
aber in die andere Richtung weniger linearen Hub, so dass Verzerrungen
noch früher auftreten.
- Definierte Übertreibungswerte
Aufgrund der Tatsache, dass die Verzerrungswerte nach Verlassen des
Magnetfelds erst in einem breiten Bereich kontinuierlich zunehmen, sind
kleine Überschreitungen des linearen Hubs nicht gleich hörbar.
Daher definieren viele Hersteller, dass es erst ab z.B. 30% Überschreitung
hörbar wird und geben diese Grenze als linearen Hub an !
So werden z.B. aus ehrlichen 5 mm linearem Hub 6.5mm linearer Hub !
Oder wie beim Hersteller "Faital Pro", der 33% der Polplattenhöhe
auf die +-Angabe addiert : so werden z.B. aus ehrlichen +-2 mm
linearem Hub +-4.67 mm Xmax !
Oder Hersteller "Lavoce" mit Addition von 25% der Polplattenhöhe :
aus ehrlichen +-2.6mm werden +-4.6mm Xmax !
Auch wenn in dem Argument etwas Wahres steckt, halte ich dies für
Schummelei !
- Hubangaben aufgrund von Verzerrungsmessungen
Dies ist sicherlich die aufwendigste Methode : Für schrittweise
variierte Membran-Auslenkungen werden jeweils Verzerrungswerte
gemessen und dies graphisch aufgetragen. An dieser Kurve erkennt
man, ab wann ein gesetztes Limit an Verzerrungen überschritten
wird, und gibt diese Auslenkung als linearen Hub an.
Ohne Veröffentlichung des Verzerrungs-Limits in % im
Kleingedruckten ist eine so ermittelte Hub-Angabe natürlich
wertlos.
Auch wenn die Methode die praxisgerechteste ist, da sie alle
potentiellen Verzerrungsursachen wie Limitierung der Sicke mitmisst,
ist sie aufgrund Störeinflüssen (Raumreflexionen,
Mikrofonverzerrungen, Aufwand) sicher auch die ungenaueste. Bis
die Hubverzerrungen aus dem Verzerrungs-Rauschteppich herausstechen,
ergibt sich wohl tendenziell ein grösserer Hubwert als bei den
ehrlichen Angaben. Aber allgemein sind diese Ergebnisse schwer
mit den anderen Methoden vergleichbar !
Wie zu sehen ist, sollte man unbedingt das Kleingedruckte (oft in
Fussnoten) in den Herstellerkatalogen studieren, bevor man
Angaben zum linearen Hub vergleicht !
- Hub = Pegelfestigkeit ?
Hier fallen sicher viele Anwender, die Wert auf eine Angabe des
linearen Hubs legen, auf einen Irrtum herein : Sie schliessen
aus dieser Zahl unmittelbar auf die Pegelfestigkeit bzw. erreichbaren
dB-Werte im Bassbereich.
Doch selbst wenn beide obigen Fragen, ob einfach oder doppelt, und
ob die Messbedingung vergleichbar ist, jeweils identische Ergebnisse
brachten, ergeben zwei Chassis mit dem gleichen Hubwert noch lange nicht
die gleiche Pegelfestigkeit !
Sicher stimmt bei Anregung mit einer Einzelfrequenz die Formel :
Schalldruck = Fläche * Hub * Frequenz
D.h. zwei gleich grosse Chassis mit gleichem Hub können bei
dieser Frequenz auch den gleichen maximalen Schalldruck erzeugen.
Aber an dieser Formel sieht man auch, dass je höher die Frequenz
ist, desto weniger Hub braucht man auch, um den gleichen Schalldruck
zu erzeugen.
Und nun kommt die Musik, die in der Praxis ja nicht aus Einzelfrequenzen
besteht, sondern gleichzeitig hubverbrauchende tiefe sowie wenig
hubverbrauchende höhere Frequenzen überlagert. Bei solch
einem Mischsignal spielt dann noch der Übertragungsfaktor
eines Chassis für alle Frequenzen eine Rolle : werden tiefe
hubverbrauchende Frequenzen weniger representiert, ist dieses Chassis
im Vergleich zu einem anderen mit gleichem Hubwert bei gleicher
Pegeleinstellung noch nicht komplett ausgelastet und kann noch
höhere Pegel verzerrungsfrei wiedergeben !
Also spielen auch die Thiele-Small-Parameter eine Rolle.
Im Bild hier sind zwei Chassis-Kurven einmal mit fc=40 Hz und Qtc=0.4
(rot) und einmal mit fc=70 Hz und Qtc=0.7 (gelb markiert) dargestellt.
Beide hätten damit realistischerweise den gleichen Wirkungsgrad
und die gleiche hörbare Bassfülle (halt nur anders verteilt :
unter 55 Hz ist die rote Kurve lauter, von 55 bis 200 Hz die gelbe).
Mit gleichem Hubwert schaffen beide Chassis bei beliebiger Einzelfrequenz
dem gleichen Schalldruck, bei einem Mischsignal schafft aber das gelb
markierte Chassis aufgrund seiner Übertragungskurve deutlich
mehr Schalldruck !
Fazit : Wie an vielen anderen Stellen bereits gezeigt, führt es
auch beim Hub zu Fehlentscheidungen, wenn man mechanische Primärdaten
vergleicht, ohne die Gesamtverhältnisse zu beachten !
- Viel Hub = viel Qualität ?
Es ist eindeutig, dass Hub eine positive Eigenschaft ist. Aber es
kostet in der Produktion keinen Cent extra, die Schwingspulenwicklungen
auf eine längere Wickelhöhe zu verteilen. Also würden es
alle machen, wenn es nicht folgende Nachteile dabei gäbe :
- linearer Hub kontra Antrieb
Bei sonst gleichem Aufbau geht der Hub immer auf Kosten von Antrieb
und damit Wirkungsgrad, denn es befindet sich ein prozentual geringerer
Anteil der Schwingspule im Magnetfeld. Mit dem dann geringeren EBP
tendiert das Chassis auch noch zu einem grösseren Hubverbrauch :
Wie gewonnen, so zerronnen !
- linearer Hub kontra maximaler Hub
Je grösser der lineare Hub konstruiert wird, desto geringer
wird gleichzeitig der maximale Hub ! Im Extremfall könnte die
Schwingspule an die untere Polplatte anschlagen, bevor der
Linearbereich verlassen wird ! Aber durch theoretisch bis in die
Unendlichkeit ausgestellte Polplatten lässt sich dieser Nachteil
verzögern / vermeiden.
Ebenso könnte die Bewegungsfreiheit der Zentrierspinne als
erstes limitieren.
Daher schneiden wie immer im Gesamtfazit die Chassis am Besten ab,
die einen sinnvollen Kompromiss aller Einzeleigenschaften bieten !
Und es gibt auch viele wirklich langhubige Billigbässe, nur
existieren bei Billigchassis meist keine Angaben zum Hub.
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