Rennsteig nonstop

Freitag, 30.8. - Samstag, 31.8.2013

vorher :

Dieses Wochenende war dem Laufsport gewidmet : Einheimische bevorzugten eine der Bambinistrecken unter der Bezeichnung "Fulda-Marathon", echte Kerle jedoch zog es zu Herausforderungen wie dem "Rennsteig nonstop" mit 168 km, ca. 3000 Höhenmetern und ca. 2,5 Millionen Wurzeln.
Da musste ich natürlich dabei sein.

Da dies als einmalige Veranstaltung angekündigt wurde, von einem bewährten Veranstalter (Gunther Rothe vom Thüringen-Ultra) durchgeführt wird und bezaubernde Natur bietet, hat sich alles angemeldet, was in der Ultraszene Rang und Namen hat :
Mit 136 Startern lag es weit über dem Üblichen für solche Extremdistanzen. Durch namhafte Favoriten wie Jörg Kupfer, Peter Kaminsky, Jens Vieler, Peter Flock, Michael Vanicek, Marcus Baldauf, Rene Strosny u.a. war dieser Lauf qualitativ stärker besetzt als Deutsche Meisterschaften !

Obwohl ich mich bereits im Januar anmeldete, landete ich nur auf der Warteliste des zuerst auf 100 Teilnehmer limitierten Laufs. Der Start in Blankenstein an der Saale war Freitag um 18.00h, so dass man relativ schnell in die Nacht hinein läuft. Über 110 km der Strecke waren mir bereits durch normale Rennsteigläufe bekannt. Die mir unbekannten ersten ca. 40 km sowie letzten 15 km wollte ich noch weitgehend im Hellen absolvieren. 80% der Strecke befinden sich oberhalb von 700m. Ich hoffte, Samstag mittag / nachmittag in Hörschel bei Eisenach anzukommen.

Hier der Link zu Streckenplan und Höhenprofil !
Von der Ankündigung bis zur Live-Information gabs auch Einiges im DUV-Forum zu lesen.

Die Startvorbereitungen waren weit stressiger als bei meinen bisherigen 100-Meilen-Läufen : Wegen der Strecke von A nach B mit Deponiepunkten und vorheriger Busfahrt mussten 3 Beutel für alle Eventualitäten gepackt werden.

Auf der Busfahrt nach Blankenstein merkte ich, dass ich vergessen hatte, mir meine Mini-Kamera umzuhängen. Daher kann ich keine Bilder vom Anfang liefern, aber es war ja eh schnell dunkel.


Vorm Start am Rennsteigstein in Hörschel *1


und so lief es dann :

Der "Rennsteig nonstop" konnte bei ziemlich idealen Bedingungen gelaufen werden, jedoch haben alle die Strecke unterschätzt, und dies sorgte für eine hohe Aussteigerquote.
Nach einem etwas zu warmen Beginn und daraus resultierendem Flüssigkeitsdefizit folgte eine selbst in der Höhe warme Nacht, so dass ich nicht mal etwas drüberzog.

Schwierig bis unzumutbar waren jedoch die zahlreichen Wurzelpassagen in der Nacht, denn man bräuchte zwei Lampen, um sowohl Wegführung mit Wanderzeichen als auch Untergrund zu sehen. Nach dem zweiten heftigen Sturz mit dadurch ausgelösten Wadenkrämpfen beschloss ich, diese Waldpfade im Dunklen nur noch zu gehen.

Anfangs in einer 3-er Führungsgruppe laufend fiel ich in einer Schwächephase von km 50 bis km 90 bis auf Platz 6 weit zurück (Eigentlich war es nur bis Platz 5, aber vom Ausstieg des Marcus Baldauf erfuhr ich erst bei km 105). Vielen Dank auch an die mobilen Verpflegungshelfer, die wohl für Jörg Kupfer mitfuhren, aber alle mitversorgten : ohne die Hilfe vor Kahlert wäre ich bei dem 26km-VP-Abstand verdurstet !


Folgen der Stürze *2


Der VP5 bei km 105 am Grenzadler stellte für mich einen Wendepunkt zum Besseren dar. Zuerst einmal, weil es ab da richtig hell war und somit auch das Verlaufen und das vorsichtige Tasten über Holperstrecken ein Ende hatte. Dann folgte auch der nördliche Rennsteig, der mir doch besser bekannt war.
An diesem VP hielt ich mich aber erstmal länger auf : Mittlerweile spürte ich Scheuerstellen an den Fersen, die ich mit intelligenterweise in meinem Dropbag hinterlegter Creme nachfetten wollte. Da Kompressionssocken nicht in 5min aus- und wieder angezogen sind, schmierte ich die Creme einfach durch die Socken. Und es half, denn danach spürte ich da nichts mehr. Dabei konnte ich auch den rechten Schuh enger binden, was einem beginnenden blauen Zehennagel gut tat.
Währenddessen bekam ich zwei Becher alkoholfreies Bier gereicht und erfuhr vom Personal von der Aufgabe Marcus Baldaufs. Auch den Trinkgürtel füllte ich wieder mit privatem Zaubertrank auf. Durch die lange Pause wurde mir und meinem Magen kalt und dieser wollte das Bier nicht mehr drinbehalten. Das sah auch der dort nach (!) mir eingetroffene Michael Vanicek. Den zählte ich bis da vor mir liegend, aber er berichtete von einem Verlaufer runter nach Zella-Mehlis. Somit machte ich an diesem VP vom gedachten 6. Platz gleich zwei Plätze gut.

Nach Tagesanbruch konnte ich weitgehend im Laufschritt bleiben und vor allem die letzten 40 km nochmal richtig steigern. Zwischenzeitlich gesellte sich auch ein Frühjogger aus Tambach zu mir, der sich unterhalten wollte. Mehrfach lief ich auf Jörg Kupfer auf, der jedoch kürzere Pausen machte und somit wieder enteilte. So auch am VP6 Neue Ausspanne.
Als ich gerade wieder mal aufgelaufen war, klingelte mein erwarteter Radbegleiter am Handy. Ich hielt an, um das Handy auszupacken und ihm zu sagen, dass er sich verfahren haben muss. Aber die mehrfach versuchte Verbindung war problematisch. Nach kurzem Ärger, deswegen evtl. einen Platz nicht gutzumachen, überholte ich kurz danach überraschend einen gehenden Rene Strosny und etwas später auch endgültig Jörg Kupfer. Am Heuberghaus nochmals von einer Nektarine der freundlichen Zusatz-Verpflegungshelfer gestärkt ging es weiter zum VP7 Inselsberg (km 135). Hier musste man kein schlechtes Gewissen haben, nur hochzugehen.

Ab dann bergab wollte ich zum Endspurt ansetzen. Auf die dortige Abstandsmeldung von knapp 30 min. zum dann Führenden Peter Flock, der erst zwei Wochen zuvor die 100 Meilen von Berlin gewann, sagte ich nur "OK, der ist weg". Tempo machte ich trotzdem, um meinen 2. Platz nach hinten abzusichern, denn ich fürchtete eine Spurtattacke von Rene Strosny. Am VP8 Hohe Sonne (km 153) eingetroffen, sagte man mir, dass Peter Flock nur 4 min. vorher den VP verlassen hatte. Dennoch machte ich knapp 10 min. Pause - man braucht ja seine Nahziele !
Obwohl ich Holger Sakuths Warnung im Forum gelesen hatte, überraschte mich die heftige Steilheit der vielen Giftzwerge auf den letzten 15 km. Wäre ich alleine gewesen, hätte ich wohl nach der 4. oder 5. Schikane die Nase voll davon gehabt und hätte auf dem eben und kürzer daran vorbeiführenden Radweg abgekürzt. Doch mein Radbegleiter scheuchte mich auch den letzten noch hoch und nun bin ich ihm dankbar dafür : Lieber ehrlich mit 1 min. Rückstand den 2. Platz erreicht als durch Abkürzen den 1. Platz erlangt !
Ich habe Peter Flock bis zum Ziel nicht gesehen, auch wenn dieser in der Thüringer Zeitung sagte, er habe mich beim Umdrehen erblickt.


Nach ca. 145 km, Axel ist endlich da (;-) *2


Verpflegungspunkt Hohe Sonne (153 km), im Hintergrund die Wartburg *2


Unterstützt wurde ich durch Radbegleiter Axel Wiegand, der frühmorgens ab Hörschel entgegenradelte und insgesamt 110 km auf steilem holprigem Untergrund absolvierte.
Er ist noch vor 2 Uhr in Hörschel losgefahren und hat mich um 6 Uhr vom Inselsberg aus angerufen (da sass ich gerade am VP5 Grenzadler), dass er länger braucht, als erwartet : also bis dahin schon 4h für seine ersten 33km !
Aber ich hatte ihm schon vorher gesagt, er soll nicht so früh aufstehen, denn er würde die steile Strecke im Dunklen eh nur verfluchen ...
Und dann muss er noch am VP6 Neue Ausspanne vorbeigeradelt sein, während ich da gerade sass. Er rief mich mehrfach an, aber ständig riss die Verbindung ab oder es gab gar kein Netz. Bis er wendete und mich hatte, waren es noch 23 km bis zum Ziel !


Zieleinlauf nach 168 km, vorne der Sieger *2


Axel Wiegand + Thomas Herget im Ziel *2


Horst reicht das Finisher-Bier *2


Evtl. begünstigt durch die Aufgabe eines der Topfavoriten (Marcus Baldauf) sowie des Verlaufens eines weiteren (Michael Vanicek) konnte ich eine Spitzenplatzierung in Superzeit erreichen :
1.Peter Flock (Gebesee) 19:06h
2.Thomas Herget (LG Fulda) 19:07h
3.Jörg Kupfer (Lauffreunde Gotha) 20:24h

In diesem Feld habe ich 3 WM-Teilnehmer hinter mir gelassen ! Laut Ergebnisliste gab es 66 Finisher und 43 Aussteiger von km 38 bis km 133, demnach sind wohl doch "nur" 109 Starter angetreten.

Mein Gesamtfazit :
2x gestürzt
1x übergeben
2x Pinkelpause
1x ganz toller Pokal mit Rennsteigstein auf Holzsockel !

Und entsprechend des alten Rennsteig-Wanderer-Brauchs habe ich wie einige Andere auch einen Stein aus der Saale an die Werra getragen und dort versenkt !

(sowie auch vorher einen Werrastein per Busfahrt in die Saale transportiert)


Wanderersitten *2


nach dem Ziel : Saalestein in die Werra *2


Laufberichte Thomas Herget, LG Fulda

Bildlegende :
*1 : Bilder von meiner hochwertigen Digitalkamera
*2 : Bilder von Radbegleiter Axel