7. Bielersee XXL 100 Meilen

Freitag 12. bis Samstag 13.5.2017

Von kleinen und grossen Läufen

Von der Streckenlänge her ist dies mit 100 Meilen ein extrem grosser Lauf. Von der Teilnehmerzahl ein winzig kleiner, denn dort gab es vor 2017 noch nie mehr als 6 Finisher ! Es ist weitgehend normal, dass Streckenlänge und Teilnehmerzahl in einem quasi umgekehrt proportionalen Verhältnis stehen.
In den letzten Jahren gibt es jedoch auch immer öfter extrem lange Läufe mit riesigen Teilnehmerzahlen und ausgebuchten Startfeldern. Zum Beispiel die 100 Meilen von Berlin im August 2017 mit 350 Einzelstarterplätzen, die schon innerhalb eines Tages im November 2016 ausgebucht waren ! Warum manche Veranstaltungen so begehrt sind und andere ignoriert werden, erschliesst sich nicht. Mit der Qualität der Veranstaltung hat es meist nichts zu tun. Evtl. ist es einfach der Herdentrieb ?

Beim Bielersee XXL 100 Meilen muss man also erwarten, dass es von Anfang an ein ziemlich einsamer Lauf in 4 Runden durch die Nacht um den Bieler See wird. Klar, dass für so wenige Starter keine Verpflegungsposten durch die Nacht realisierbar sind, so dass durchgehend mit Rucksack gelaufen werden muss.
Warum ich an besagtem Freitag um 17:00h trotzdem gerade dort startete, lest Ihr dann unten.

Zauberhaftes Biel und Umgebung

Bekannt ist Biel in Läuferkreisen ja durch seinen grossen 100km-Lauf. Ich vermute jedoch, dass nur die wenigsten bei der Gelegenheit Stadt und Umgebung erkunden. Die Stadt übt auf mich ein Wohlgefühl aus - mit seiner Mischung aus Wiener Kaffeehausathmosphäre und mediterranem Draussensitzen neben Palmen. In Biel könnte ich mir sogar vorstellen, dauerhaft zu leben !
In diesem Jahr sagte ein Hostelgenosse, aufgrund der Internationalität sei Biel wie "Berlin in klein" - dem kann ich nicht zustimmen, denn Berlin ist hässlich und unfreundlich.
Es ist auch die Stadt der grossen Uhrenhersteller : Omega, Rolex und Swatch haben hier ihren Sitz und übertrumpfen sich mit Werbemonumenten.


Die Bahnhofswartehalle *2


Das Seeufer *2


Am Zentralplatz in Biel *2


In der Altstadt *2


Auf jeden Fall sollte man mal die Bahnhofswartehalle besuchen. Seit 2005 ein Verwirrter dort schwärmte, dies sei die "schönste Wartehalle Europas" (ich muss ihm Recht geben) gehört dieser andächtig ruhige Ort mit seiner Kunst für mich zu jedem Bielbesuch dazu !
Hinterm Bahnhof führt ein Durchgang auf kurzem Weg zum See, den man auch mit einer Schiffahrt erkunden kann.
Viele halten sicher das Viertel um Bahnhof und Zentralplatz mit seinen repräsentativen Gebäuden im Bauhausstil für die Altstadt, doch die eigentliche mittelalterliche Altstadt liegt an der Hangseite und ist sehenswert.


In der Seilbahn hoch nach Magglingen *2


Bahn, Wasser und Strassen durch die Taubenlochschlucht *2


Die Holzbrücke in Aarberg *2


Bern über der Aare *2


Desweiteren ermöglichen gleich zwei Seilbahnen, die in das öffentliche Verkehrsnetz integriert sind, Aussicht über die Gegend und Laufstrecken zu geniessen.
Unmittelbar neben dem Stadtgebiet beginnt auch die Taubenlochschlucht, die einen sofort in alpin anmutende Umgebung versetzt. Man kann unten am Fussweg wandern oder wählt mit Fahrad oder Auto oben die Brückenbauwerke und Tunnels (Strasse nach Delamont).
Bei einem Auflug nach Bern mit seinen Laubengängen kann man auf halbem Wege noch die den 100km-Läufern bekannte überdachte Holzbrücke über die alte Aare in Aarberg bei Tageslicht besichtigen.

Der 100-Meilenlauf um den Bielersee

Der 100-Meilenlauf 2017 war für den Veranstalter und mich ein Erfolg : Neben dem Teilnehmerrekord von 15 Startern aus 4 Nationen und 8 Finishern erreichte ich dort wie erhofft eine neue persönliche Bestzeit von 17:12h und damit nebenbei auch den Gesamtsieg !
Meine alte 100-Meilen-Bestzeit von 19:05h lief ich 2013 auf einer bergigen Trailstrecke, siehe hier. Der Versuch, diese im letzten August 2016 in Berlin zu verbessern, scheiterte dort hitzebedingt mit dem Ergebnis von 19:46h, siehe hier.

Daher wählte ich nun diesen relativ flachen Lauf. Er ist zwar nicht ganz so flach, wie der Massstab des Schweizer Höhenprofils suggerieren will : es kommen 108 Höhenmeter je Runde auf einen zu, insbesondere das ständige Auf und Ab zu den Durchgängen an der langen Gerade des Steilufers ist etwas nervig. Den Verzicht auf die Verpflegungsposten unterwegs erachte ich nicht mal als so nachteilig, denn diese verleiten immer zum längeren Pausieren als gewollt. Auch das Konzept mit 4 Runden a 40,23km (die erste im Hellen zum Strecke kennenlernen, dann 2 Runden nachts und die letzte Runde wieder im Hellen) ist übersichtlich, aber noch nicht monoton. Man kann sich kaum verlaufen.

Trotz der Analogien (rechts der Strecke immer Wasser, links wahlweise Bahnschiene, Strasse, Campingplatz oder Weinberg) erinnerte mich unterwegs nur wenig an den Balaton-Supermarathon, siehe hier.
Wie schon beim Bleilochlauf 2014 hatte ich auch hier Parkplatz, Unterkunft und Start und Ziel direkt nebeneinander, denn die Veranstaltung startet am Hostel Lago Lodge.


km 25,8: Einladende Strandbar bei La Neuveville *1


km 30: Durch meine Trinkpause bei Ligerz werde ich überholt *1


km 37: Die letzten km der ersten Runde ziehen sich *1


Nach Start in einer 5er-Spitzengruppe zog sich diese in der ersten Runde bereits auseinander. Gegen Ende der Südrichtung wurde es im Gegenwind bereits kühl, doch dann in Nordrichtung mit Rückenwind war es wieder angenehm. Die letzten km der ersten Runde ziehen sich, es fiel mir schwer und ich dachte bereits "das wird nicht mein Tag". Hinter einem Schweizer erreichte ich zeitgleich nach 3:33h den Pausenraum.
In 12 Minuten Pause genoss ich Brühe und verdünnte Cola und füllte meinen Rucksack auf.
Der Schweizer brach noch eher auf, so dass ich in der zweiten Runde auf Position 2 lag. Mit Beginn der zweiten Runde legte sich der Wind, so dass ich meine Jacke nie anziehen musste. Nach 4:01h Rundenlaufzeit wieder zur zweiten 19-minütigen Pause zu Brühe und ColaBier. Bei meinem Eintreffen war der Schweizer noch da, aber genau als ich aufbrach erschien auch schon der Drittplazierte !
An vielen Stellen war es so hell, dass man die Stirnlampe ausschalten konnte. In der 3. Runde überholte ich den Schweizer bei km 95 auf dem langen geraden Radweg hinter Lüscherz, wo er gerade ging. Nach 4:20h Rundenlaufzeit kam ich in Führung liegend zur 3. Pause. Hier bestellte ich bei Veranstalter Christoph Allemann Nudeln und ISO. Doch das klebrige gelbe ISO reizt meinen Magen zum sofortigen Übergeben, so dass ich schnell mit leerem Magen auf die letzte Runde ging. Der Schweizer war bis dahin auch eingetroffen und selbst der Dritte erschien nur 5 Minuten nach meinem Aufbruch. Also waren die ersten drei noch in spannender geringer Distanz ! Dort gab der Dritte jedoch auf.


km 139: Früh am Morgen bei Erlach *1


km 150,8: Durch dieses hübsche Haus wird 4 mal gelaufen *1


km 32 jeder Runde: Twann *2


Nun war es wieder hell und man wurde dadurch automatisch schneller. Doch nach kurzem rebellierte der Magen nach unten und akuter Durchfall zwang mich, verzweifelt auf Campingplätzen nach einer offenen Toilette zu suchen.
Trotz dieser eigenen Probleme nahm ich dem Schweizer Michael Misteli, der übrigens eine lange Ultra-Historie und auch 18 Transeuropalauf-Etappen aus 2003 aufweist, auf der letzten Runde über eine Stunde ab. Mein Rücken blieb dank langer vorheriger Übungen klaglos. So siegte ich durch möglichst kurze Gehpausen in 17:12h !


km 35,5 jeder Runde : Tüscherz / Alfermee *2


Siegerehrung am Samstag nachmittag *2


Siegerehrung beim Lago Lodge *2


Damit habe ich nun endlich eine ordentliche Bestzeit über 100 Meilen und dies in einem Lauf mit Rucksack ! Und altersbezogen ist die umso hochwertiger. Dies könnte jedoch meine letzte Bestzeit gewesen sein (ausser evtl. noch 24h), die noch steigerungsfähg war.
Also beachtet auch mal mehr die kleinen Läufe, denn wie man sieht, sind auch diese bestzeitfähig. Und im Vergleich zu Berlin hat diese 100-Meilen-Strecke die schönere Landschaft und den besseren Untergrund und ist preiswerter ! Und das ohne Warteliste !

Laufberichte Thomas Herget, LG Fulda

Bildlegende :
*1 : Bilder von meiner neuen Mini-CarKamera, die ich beim Laufen dabei hatte
*2 : Bilder von meiner hochwertigen Digitalkamera