4. Baltic-Run Sonntag, 24.7. bis Donnerstag, 28.7.2011
Berlin - Usedom = 324 km in 5 Etappen
Samstag, 23.7. : Anreise
Ja, dieser Lauf beginnt quasi schon am Tag vorher : Nach Startnummernabholung
in einer Schule in Berlin-Frohnau gibt es bereits ein Abendbüffet und
anschliessend die erste Turnhallenübernachtung.
Skeptisch, wie ich mehrere Ultramarathons hintereinander laufen soll, war ich
nach meiner Ersterfahrung um den Balaton nun nicht mehr. Mir war zwar klar,
dass ich nicht in der Topform vom März war und hatte Bedenken, ob meine
Achillessehne, die sich seit Wochen meldete, diese vielen km mitmacht.
Aber ich empfand meine Rolle komfortabel : Favorit war klar Robert Wimmer,
dahinter sah ich mich in Verfolgerposition, die anderen von der Starterliste
stufte ich schwächer ein oder sie waren mir unbekannt.
Startvorbereitungen an der Turnhalle *1
Erste Gepäckverladung *1
Busfahrt nach Berlin Mitte *1
Etappe 1 : Berlin Mitte - Hubertusstock, 61.7/63/65km ?
Nach dem Start setzt sich gleich mit Robert Wimmer, Olaf Graf, Roland Riedel und
mir eine Vierergruppe ab. Danach folgt mit Abstand Antje Müller, dann wieder Luft.
Roland Riedel lässt sich bei unserem Tempo auch gleich zurückfallen.
Ich unterhalte mich viel mit Robert über seine letzten Wettkämpfe und
Ziele. Olaf Graf ist uns unbekannt - den hatte keiner auf der Rechnung.
Nach ca. 20km lassen auch die Beiden abreissen und mich vorne einfach allein !
Es folgt eine Querung von Bernau und dann ein Heide-ähnliches Gebiet.
Am VP6 bei km48 frage ich, wie weit es noch ist und bin schockiert, als man mir
sagt "noch 17km". Ich hatte mit 13 entsprechend der veröffentlichten
GPS-Strecke gerechnet. Es zieht sich und ich werde langsamer und lustloser.
Endlich im Ziel an Honeckers Jagdschloss mit Hotel nach 5:03:29h. Ich bin
verwundert, dass 6 min später Roland Riedel einläuft, denn ich
hatte Robert erwartet, der aber erst nach Olaf als Vierter hier ist.
Somit ist mein Vorsatz gebrochen, am ersten Tag hinter Robert zu bleiben,
egal wie fit ich mich fühle.
Kurz vorm Start *1
Zeitnahmezelt im Ziel mit Chef Jörg Stutzke *1
Verpflegungszelt im Ziel *1
Etappe 2 : Hubertusstock - Prenzlau, 67km
Ab nun wird aber vorher der Streckenplan studiert und die km der VPs auswendig
gelernt, damit ich nicht wieder so "blind" laufe !
Ab dem zweiten Tag starten die Schnelleren eine Stunde später, was zwei
Vorteile hat : Man hat morgens eine Stunde mehr Zeit und begegnet unterwegs
allen Läufern !
Es setzt sich gleich wieder unsere Vierergruppe mit Robert Wimmer und mir,
dann etwas Luft, dann gleich Olaf Graf und Roland Riedel und danach
Antje Müller ab. Wir sind schon sicher, dass der Sieger unter uns vieren
ausgemacht wird, nur die Positionen könnten noch rotieren.
Als netten Gesprächspartner für die ersten 20km haben wir mit
Axel Rymarcewicz den Vorjahreszweiten, der dann umdreht. Ich versuche,
Robert auf ein etwas flotteres Tempo zu ziehen. Bei ca. km 27 wird es
mir zu langsam und ich gehe halt alleine vor.
Bei km 30 spüre ich eine Blutblase am linken Fuß.
Nun laufe ich nicht mehr so einschläfernd, lasse mir dafür an
den VPs ausgiebig Zeit zum Essen und geniesse Urlaubsfeeling und Aussichten.
Nach dem letzten VP 7, an dem ich mind. 5 min gestanden habe, drehe ich mich
in einer Kurve um und sehe Olaf und Roland zusammen direkt (max. 2min) hinter
mir. Nun also noch einen Endspurt und ich hole auf den letzten km auch
wirklich 4min raus, denn im Ziel habe ich mit 5:36:24h 6min Vorsprung
vor Roland.
VP 3 bei km 31 *1
So sieht Ultraverpflegung aus ! *1
Dieses Schild musste ich fotografieren : VP 4 mit Danae und Nicole *1
Der obere Uckersee ? *1
Die Turnhalle Prenzlau : Schlafbereich ... *1
... und Frühstücksbereich *1
Abends konsultiere ich noch ein paar Meinungen bzgl. Blasen : Die Mehrheit
empfiehlt aufstechen, meinem Gefühl entsprechend lasse ich sie zu.
Etappe 3 : Prenzlau - Ückermünde, 72km
Unsere Vierergruppe zieht auf der Königsetappe langsam los, so dass
bis VP1 andere sichtbar bleiben. Robert muss mehrfach ins Gebüsch und
bei Pasewalk verlieren wir ihn. Cool ist es, in Pasewalk mitten durch die
City zu joggen.
Am VP4 am Ortsausgang von Pasewalk überrascht uns das Aufschliessen
von Holger Hedelt. Ein paar km später zieht er so an, dass es mir zu
plötzlich ist, aber es verschafft mir auch Abstand nach hinten.
Holger bleibt bis zum Ziel in Führung, aber immer in meiner Sichtweite,
doch in der brennenden Nachmittagssonne will ich mich nicht noch mehr anstrengen.
Zwischen VP6 und VP7 lässt ein schattiges und landschaftlich tolles
Fleckchen "Holl" nochmal Spass aufkommen und auch Ückermünde
verleitet nochmal zum Fotostop : Im Ziel in 6:03:29h knapp eine Minute
hinter Holger und 8 Minuten vor Roland.
Nach der Ehrung mit der Bürgermeisterin gibt es ein leckeres Buffet
in einer Altstadtkneipe.
Das Getränkefahrzeug *1
Morgens früh durch Prenzlau, hinter Olaf und Robert *1
Robert Wimmer, hat immer einen lustigen Spruch drauf ! *1
Roland Riedel aus Bottrop *1
Turm kurz vor Pasewalk *1
Das Tor zur City von Pasewalk *1
Etappe 4 : Ückermünde - Usedom Stadt, 62km
Morgens bin ich etwas spät dran und komme nicht mehr dazu, die
Sonnencreme ausgiebig anzuwenden. Nach dem Schuhzubinden bildet sich innerhalb
von Minuten eine dicke schmerzhafte Schwellung oberhalb des linken Knöchels.
Dies zwingt mich zum sehr langsamen Loslaufen. Es ist unbewölkt und geht
erst an hübschen Ferienhäusern vorbei, dann über einen
Waldpfad.
Bei ca. km 16 geht der eigentlich viel langsamere Matthias Muhs
mit stark erhöhtem Tempo in Führung und ich ziehe mit. Meine
Schwellung hat sich da verteilt - die Füsse sind wieder beweglich,
aber in gleichem Masse wird mir kotzübel. Durch das schöne
Naturschutzgebiet in praller Sonne tappe ich in Matthias Rücken
und antworte nicht auf seine Bemerkungen - sonst müsste ich mich
übergeben. Ca. bei km 30 sagt Matthias plötzlich "Ich kann
nicht mehr. Ich wollte Euren langen Beinen nur mal etwas Abwechslung
bringen." Prima, dann bin ich auf diese Weise wieder alleine vorne.
Am nächsten VP bei km 33 verweigert mein Magen die Aufnahme eines
Schlucks Cola : ich übergebe mich sofort.
In der Stadt Anklam muss ich an einem grossen beschränkten
Bahnübergang eine Minute warten, dann geht es wieder anregend
durch eine belebte City.
Ich quäle mich durch die folgenden VPs, die Übelkeit lässt
nach, mein Magen akzeptiert etwas Eistee aber die Hitze steigt.
Irgendwie rette ich mich als Etappensieger sogar noch in der zweitbesten
für diese Etappe je gelaufenen Zeit (5:08:07h) ins Ziel, wobei der
lange Schilftunnel vor der Zugbrücke besonders heiss und die
letzten km auf Usedom besonders ätzend sind.
Unterwegs nahm ich hier gar nichts Festes zu mir (was auch etwas Zeit
spart) und auch beim Abendessen bekomme ich kaum einen Bissen herunter.
Etappe 5 : Usedom Stadt - Karlshagen, 59km
Auch zum Frühstück mag mein Magen nur eine halbe Scheibe
Brot aufnehmen. Nach dem Schuhzubinden wieder diese Schwellung,
aber heute nicht ganz so heftig. Ich freue mich über den
kontinuierlichen Nieselregen, denn falls es ein Sonnenstich war,
macht mir das Regenwetter keine Probleme hinzu.
Ich gehe mit 32min Vorsprung in den Tag, habe keine Zweifel nicht
durchzukommen und sicher keine zu hoch gesteckten Tagesziele :
- Optimalziel : Unter 5:08h, damit die Gesamtzeit unter 27h bleibt
- Normalziel : Gesamtplatz 1 halten, wofür ca. 5:30h reichen
- Minimalziel : ankommen
Die ersten km empfinde ich Temperatur und Tempo angenehm, bis wieder
etwa vor 20km Übelkeit einsetzt. Heute tappe ich Roland hinterher
bis irgendwo auf der Promenade Ahlbeck - Bansin ich mich übergeben
muss. OK, Gehpause um den Magen zu beruhigen bis zum VP4 = 31km,
dann wieder laufen : Und es geht noch halbwegs schnell, d.h.
Gesamtplatz 1 könnte noch drin sein.
Falsch, denn nachdem ich das zweite Mal kurz vor VP5 kotzen muss,
glaube ich nicht mehr daran und das Laufen geht nicht mehr schnell.
Nach dem dritten Kotzen wird mir klar, dass mein Körper mir das
Laufen verweigert und ich beschliesse, bis ins Ziel zu gehen, womit
ich Gesamtplatz 3-4 erwarte. Es folgt aber ein langer freier Damm
in Gegenwind und Regen, wo ich gehend derart friere, dass ich am
folgenden VP7 um Abholung ins Warme bitte.
Durch den doofen Dauerstau auf der Insel sitze ich jedoch eine ganze
Stunde im VP-Fahrzeug bis das Abholauto da ist und die 11km Fahrt bis
in die Halle dauern nochmals 50min -> in dieser Zeit wäre ich
auch gegangen und hätte dies auch getan, wenn ich das vorher
gewusst hätte.
Nachmittags in der Halle wird mir nochmals übel und ich muss
mich hinlegen, worauf man den Notarzt ruft (;-)). Auch bei
Abendessen und Siegerehrung habe ich zwei Schwächephasen und
muss nochmals kotzen (wie auch am Samstag nochmal).
Wie der nun in 27:23 h siegende Roland Riedel in seiner Ansprache
verkündete "hat Thomas läuferisch dominiert, dabei
unterwegs noch fotografiert und sich je an den Verpflegungspunkten
länger aufgehalten". Roland hat hier aber auch eine viel
stärkere Leistung als um den Balaton abgeliefert, denn er
hat hier sein Tempo von knapp 12km/h über eine viel
längere Distanz ebenso gehalten (weil ausgeruhter ?). Robert Wimmer kam nach der einseitigen Belastung seines
Hallenweltrekords nicht in Topform, zweifelte etwas an sich
selbst und wurde mit Glück noch Zweiter in 28:36h.
Wie ich aufgrund meiner hinterher ausgewerteten Zwischenzeiten
an den VPs errechnen konnte, hätte ich mit Gehen bis zum
Ziel sogar noch Gesamtplatz 2 ziemlich sicher gehalten.
Aber egal, die Wertung ist mir nicht wichtig und so habe
ich nur die letzten 11km Strecke verpasst !
Und : Meine Achillessehne schmerzt hinterher nicht mehr !
So ein Etappenlauf ist doch die beste Therapie !
Neue Etappenlauf-Erkenntnisse für mich :
Man kann auch mit Blutblasen ohne grosse Nachteile täglich
weiterlaufen und bekommt diese sogar während eines Etappenlaufs weg.
Auch bei einem "richtigen" Etappenlauf mit der typischen
Turnhallenübernachtung gibt es vorm Start keine Staus vor den
wenigen Klos.
Die Durchschnittslänge von 65km empfinde ich unangenehmer als 50km,
denn dann hat man ca. 1,5 Std. mehr Belastungszeit und 1,5 Std. weniger
Regenerationszeit und hat keine Lust mehr, abends noch den Ort zu erkunden.
Tops und Flops der Veranstaltung
+ sehr gute Abend-Büffets
+ enger Kontakt zwischen Sportlern und Betreuern, da hier viele Lebenspartner
der Sportler als Verpflegungsposten mitreisen und die Veranstalter selbst
in der Szene aktiv sind
+ originelle Tagesetappenwertungen wie Dauerbrenner / Frischlinge / Junioren
/ Senioren
+ Streckenmarkierung nach dem Transeuropalauf-Pfeilsystem
+ Salztabletten an einigen VPs
- Bodenbeschaffenheit : Unter einem "Fernradweg" Berlin-Usedom hätte ich
mir etwas Anderes als diese Menge von Betonplatten, buckligem
Sandsteinpflaster, Sandpisten und Waldpfaden vorgestellt !
- teilweise mangelnde Getränkeversorgung zwischen Zielverpflegung und
Abendessen : bei Gepäckbeschränkung auf 20kg kann ich nicht
literweise selbst mitnehmen und Einkaufen am Etappenziel ist auch nicht
immer realisierbar.
- fehlende Kilometrierung